Magische Übungen sind keine Spielerei
von Emil Stejnar
Im Jahre 1958 hatte ich folgendes Erlebnis. Es war in Vetlanda, einer Kleinstadt in Schweden. Ich hatte gerade Besuch aus Wien, ein guter Freund, mit dem ich mich sehr verbunden fühlte, da wir schon jahrelang gemeinsam forschten. Es gab viel Neues zu berichten, am Abend machten wir ein Experiment mit einem Zauberstab, den ich nach besonderen Anleitungen angefertigt hatte. Dann gingen wir zu Bett und diskutierten noch lange vor dem Einschlafen.
Unsere Betten standen mit den Fußenden zueinander und passten genau zwischen die Wände, so dass kein Zwischenraum frei war. Plötzlich hatte ich das Gefühlt, mich in einem Strudel roter und schwarzer Flammen irrsinnig zu drehen. Ein grüner, fruchterregender Kopf näherte sich mir und wollte in mich eindringen. Ich hatte Angst wie nie zuvor und glaubte, emporgehoben zu werden. Irgendwo hörte ich meinen Namen rufen und erwachte. Ich fand mich am äußersten Ende meines Bettes sitzen und kam nur langsam zu mir. Im Bett gegenüber saß, ebenfalls aufgerichtet, mein Freund und rief noch immer meinen Namen.
Mein Bett stand, wie ich nun bemerkte, schräg an die Wand gelehnt. Das Kopfende war in 40 cm Höhe mit den beiden Füßen an der Wand verklemmt, und am nächsten Morgen konnten wir an Kratzspuren auf der Tapete erkennen, dass es um etwa einen Meter gestiegen sein musste. Im Zimmer war eine große Unordnung. Bücher und Schallplatten lagen verstreut auf dem Boden. Auf einigen Büchern stand der Tisch.
Nachdem wir uns beruhigt hatten, berichtete mir mein Freund folgendes: Er sei durch einen kalten Luftzug aufgeweckt worden und wollte aufstehen, um das Fenster zu schließen. Dieses war jedoch geschlossen. Das ah er, dass ich mitten im Bett saß und angsterfüllt vor mich hinstarrte. Um meinen Kopf war ein sonderbares grünes Licht, das aus meinen Augen zu strahlen schien. Dann begann sich die obere Seite meines Bettes zu heben. Ich soll dabei schrecklich geschrien haben und noch oben, auf das Bettende zu, ausgewichen sein. Er rief einige Male meinen Namen und machte dann das Licht an, worauf ich zu mir kam.
Wir vermuteten damals, dass die Versuche mit dem Stab die Ursache dieses Spuks gewesen seien. Es handelte sich um eine neunfach gewundene Spirale aus Feingold- und Silberdraht mit einer magnetischen Eisenspitze. Das Ganze steckte auf einem Holunderstab und sollte speziell für Beschwörungen geeignet sein.
Heute weiß ich, dass der Stab recht unschuldig war. Die eigentliche Ursache waren die von mir seit Monaten einseitig praktizierten magischen Übungen. Wie jeder Anfänger konzentrierte ich mich auf Übungen, die mir besonders zusagten, und vernachlässigte andere. Ich übertrieb die Askese und versuchte meinen Willen auf alle mögliche Weise zu stählen.
Dadurch schaffte ich ein Kraftreservoir, dessen Stauung sich entladen musste, weil sie nicht mit einer Aufgabe verbunden worden war. Jede Kraft, die durch Willensübungen transformiert wird, muss bewusst mit einer Eigenschaft, einem Namen oder Sinn, verbunden werden, wenn sie unter Kontrolle wirken soll. Sie verbindet sich sonst automatisch mit einem Teil des so genannten Unterbewusstseins (andere unbeachtete Wesenszellen) und wirkt dann selbstständig, meist gegen uns, oder kann auch von Wesen missbraucht werden.
Dies ist ein wichtiges Gesetz in der praktischen Magie. Daraus abgeleitet ergibt sich: Jede Eigenschaft, Idee oder Zielrichtung, auf die wir hinarbeiten, verbindet sich bald mit einer Kraft, um sich realisieren zu können. Diese Kraft wird uns entzogen, wenn wir sie nicht durch Willensübungen bewusst erschaffen oder die Idee kontrollieren.
Die meisten Anfänger missachten diese Tatsache oder kennen sie noch nicht. Magische Übungen sind aber keine Spielerei. Es wird niemandem einfallen, mit den Fingern an einer Starkstromleitung herumzufummeln. In der Magie aber glauben viele, einfach drauflos imaginieren und meditieren zu können, obwohl es sich um weitaus gefährlichere Mächte handelt, mit denen man dabei in Kontakt kommt.
Das ist der Grund, warum viele Schüler nach einigen Monaten aufgeben oder durch Schicksalsschläge dazu gezwungen werden. Die göttliche Vorsehung verhindert damit Schäden, die früher oder später an Geist und Seele auftreten können.
Der richtige Weg ist deshalb, mit Geist, Seele und Körper gleichmäßig zu üben und zu trachten, das Elementegleichgewicht auf jeder Ebene herzustellen. Die beste Anleitung dazu findet man im “Der Weg zum wahren Adepten” von Franz Bardon. Wer an seiner okkulten Vervollkommnung arbeitet, muss das Gesetz von der Wechselwirkung zwischen Kraft und Macht beachten. Er sollte diese Mächte und die Kräfte, die automatisch beim Üben geschaffen und frei werden, bewusst in einer Geste, einem Ritual oder Siegel bannen oder gleich mit einer klar umrissenen Eigenschaft verbinden. Er schafft sich damit gleichzeitig ohne besondere Mühe magische Hilfsmittel, die ihm auf seinem Weg gute Dienste leisten werden. Die üblichen Begleiterscheinungen, die jeder Praktiker in seiner Lehrzeit erlebt, werden dann von selbst abklingen.
(Erstmalig erschienen in der Zeitschrift “Anubis – Zeitschrift für praktische Magie und Psychonautik), Nummer 10, Dezember 1988.)
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Ich habe heute meinen damaligen Schlussfolgerungen nichts hinzuzufügen. Allerdings weiß ich inzwischen, woher das Phantom stammt, das mich aus meinen Körper ziehen wollte. Wir waren nämlich zur Vorbereitung des Experiments auf dem “Galgenberg” gewesen, das ist ein Richtplatz aus dem achtzehnten Jahrhundert. Dass auch das Haus, in dem wir wohnten, direkt auf einer Hinrichtungsstätte stand und dort 1543 nach einem Bauernaufstand sechzig Menschen enthauptet worden waren, erfuhr ich erst viel später. Es ist verständlich, dass die Elementale, die wir auf dem Richtplatz aufnahmen, die im Haus vorhandenen Schemen der Todesangst belebten und sich diese Phantome des Ortes mit meiner ungenutzten Energie manifestieren konnten.
Auch Bardon verweist in der XI. Stufe seines dritten Lehrwerks “Der Schlüssel zur wahren Quabbalah”, auf den bedeutenden Unterschied zwischen einer Macht und einer Kraft. Ich empfehle dringend jedem Hermetiker, dieses Kapitel eingehend zu studieren und zu beherzigen.
(Dieser Absatz, wurde der Neuauflage des Buches „Die Vier Elemente“, 2008, Ibera Verlag Wien, hinzugefügt.)
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