Biographie Swami Sivananda

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Geburt und Kindheit

Am Donnerstag, den 8. September 1887, wurde in den frühen Morgenstunden, als der Stern Bharani aufstieg, ein Junge im Dorf Pattamadai an den Ufern des Tamraparani in Südindien geboren. Seine glücklichen Eltern waren Sri P.S. Vengu Iyer, ein Steuereinnehmer und Siva-Anhänger, und Srimati Parvati Ammal, eine ebenso gottesfürchtige Frau. Sie nannten dieses letztgeborene Kind von insgesamt drei Söhnen Kuppuswamy.
Kuppuswamy war sehr intelligent und spitzbübisch. In seiner Kindheit gab es Anzeichen des ‘Zurückziehens’ und Liebe für andere Kinder. Er hatte Mitleid mit den Armen, gab ihnen an der Tür etwas zu essen, und veranlasste seinen Vater, vorbeiziehenden Armen Kuchen zu reichen. Er erhielt von seiner Mutter häufig Kuchen und Süßigkeiten, die er unter seinen jungen Begleitern, Hunden, Katzen, Krähen und Spatzen verteilte, ohne selbst etwas davon zu essen. Er versorgte seinen Vater für die Siva Puja mit Blumen und Blättern. An der Rajah’s High School, Etayapuram, wo er studierte, heimste er alljährliche Preise und Bestnoten ein. Er hatte ein wohlklingende Stimme und ein gutes Gedächtnis. Als Seine Exzellenz Lord Ampthil, der Gouveneur von Madras (Chennai) die Kuru Malai Hills 1901 besuchte um zu jagen, sang Kuppuswamy ein Willkommslied am Bahnsteig. Nach seinem Abitur studierte er am S.P.G. College in Tiruchirapalli. Im College nahm er auch an Diskussionen teil und spielte in der Laiengruppe des College. Er spielte im Jahre 1905 die Rolle der Helena in Shakespeare’s “Mitsommernachtstraum”.
Nach dem Abschluss des ersten Kunstsemesters ging Kupusswamy zur Medical School in Tanjore um Medizin zu studieren. Er war außerordentlich fleißig und ging selbst in den Semesterferien nicht nach Hause. Er wollte diese Zeit unbedingt im Hospital verbringen. Er hatte freien Zutritt zum Operationssaal. Kuppuswamy hatte in all seinen Fächern Bestnoten. Er verfügte über mehr Wissen als Doktoren mit ihren begehrlichen Titeln. Bereits im ersten Jahr konnte er die Fragen aus den Abschlussbögen des letzten Studienjahrgangs beantworten.
Kuppuswamy machte sein M.B., C.M. Er praktizierte in Tiruchi. Während seiner Praxis brachte er ein medizinisches Journal heraus (The Ambrosia). Er bekam für die erste Auflage des Journals von seiner Mutter 100 Rupien als Startkapital. Als seine Mutter später für ein Fest 150 Rupien benötigte, konnte Dr. Kuppuswamy ihr das Geld ohne Probleme zur Verfügung stellen. Dennoch verteilte er das Journal kostenlos; er war sehr scheu, um die Leute um Geld für das Journal zu bitten.

Doktor in Malaysia

Kurz nach dem Tod seines Vaters folgte er 1913 einem Ruf nach Malaysia. In ihm war ein abenteuerlustiger Spirit. Kuppuswamy gehörte zu einer orthodoxen Brahmin-Familie und fürchtete daher während seiner Schiffsreise nach Malaysia, keine vegetarische Kost zu erhalten. Darum nahm er eine Menge Süßigkeiten, die er von seiner Mutter bekommen hatte, mit auf Reisen. Als er in Singapur angekommen war, fühlte er sich halbtot.
Dr. Kuppuswamy beschreibt seine Erfahrungen in Malaysia wie folgt: “Direkt nach der Ankunft ging ich zur Residenz von Dr. Iyengar. Der gab mir einen Brief zur Vorstellung bei seinem Freund Dr. Harold Parsons, einem Mediziner in Seremban. Als ich dort ankam, stellte mich Dr. Parsons Herrn A.G. Robins vor, dem Manager der nahe gelegenen Gummiplantage, die über ein eigenes Hospital verfügte. Glücklicherweise wurde im Hospital ein Assistent benötigt. Der Chef war ein furchtbarer Mann, mit aufbrausendem Temperament, von großer Gestalt, riesig und dick. Er fragte mich, ob ich ein Hospital allein managen könnte? Ich antwortete mit ‘Ja’. Ich könnte drei Hospitäler managen. Ich bekam die Stelle sofort. Mir wurde von einem ortsansässigen Inder zuvor erzählt, dass ich auf Grund der ortsüblichen Tarife nicht weniger als 150 Dollar pro Monat fordern sollte.”
Der junge Arzt arbeitete schwer. Ungewöhnliche Gegner begannen über ihn zu reden und er fühlte, dass es besser sei, den Job wieder aufzugeben, doch Robins ließ ihn nicht gehen. Dr. Kuppuswamy war sehr freundlich, sympathisch, humorvoll, witzig und seine Stimme klang sehr liebevoll. Hoffnungslose Fälle kamen zu ihm, doch der Erfolg war sicher. Alle Menschen glaubten, dass er eine besondere Gabe von Gott für die wundervollen Genesungen haben müsse, die seinen Patienten widerfuhren. Sie beschrieben ihn als einen freundlichen und sympathischen Doktor von charmanter, majestätischer Persönlichkeit. Bei ernsten Fällen blieb er die ganze Nacht über wach. In seiner privaten Praxis behandelte Dr. Kuppuswamy auch die Armen, ohne dass sie etwas dafür bezahlen mussten. Er gab ihnen sogar etwas Geld für besondere Diäten oder um ihre Verdienstausfälle nach einem Hospitalaufenthalt decken zu können. Er gab Geld wie Wasser.
Einmal kam in der Nacht ein bis auf die Knochen abgemagerter armer Mann zu ihm. Seine Frau lag in den Geburtswehen. Sofort eilte der Doktor zu Hilfe. Nachdem sie beide die Behausung erreicht hatten, blieb der Man vor der Hütte, obwohl es heftig regnete. Erst nachdem das Kind geboren worden war, kehrte der Doktor am nächsten Morgen nach Hause zurück. Neben seinem geschäftigen Leben, diente Dr. Kuppuswamy Sadhus, Sannyasins und Bettlern. Er begleitete Hochzeitsfeierlichkeiten, Parties und andere gesellschaftliche Ereignisse. Eines Tages gab ihm ein Sadhu das Buch “Jiva Brahma Aikyam” von Swami Satchidananda. Dieses entfachte die Spiritualität in ihm. Daraufhin befasste er sich mit Texten von Swami Rama Tirtha, Swami Vivekananda, Sankara, Jesus Christus und mit anderen theologischen Schriften. Er war sehr gewissenhaft, was seine täglichen Verehrungen, Gebete und Yoga-Übungen anging. Das Studium der heiligen Schriften, wie der Gita, Mahabharata und der Ramayana, erledigte er mit großer Hingabe. Manchmal suchte er Nandan Charitam und sang Bhajans und Kirtans. Er praktizierte Anahat Laya Yoga und Swara Sadhana.
Doktor Kuppuswamy sammelte gute Kleidung, Schmuck aus Gold und Silber sowie Schnitzereien aus Sandelholz. Manchmal kaufte er Goldringe und Halsketten und trug sie dann alle gleichzeitig. Dazu steckte er an alle zehn Finger irgendwelche Ringe. Wenn er ein Geschäft betrat, verschwendete er seine Zeit nie mit dem Feilschen oder Argumentieren. Er nahm alles, was ihm gefiel und bezahlte ohne jede Diskussion.
Nichts konnte ihn erregen. Sein Herz war rein wie der Schnee aus den Himalajas. Seine außerordentliche Menschenliebe, sein Geist des Dienens und des Verzichts machte ihn bei allen Menschen beliebt. Die Leute nannten ihn liebevoll “Herz der Liebe”. Der reiche Arzt hatte nicht immer einen Koch in seinen Diensten. Er kochte am liebsten selbst, obwohl er kaum Zeit dafür hatte. Doch gelegentlich beschäftigte er einen Koch. Einer dieser Köche wollte unbedingt von sich ein Foto haben. Der Doktor nahm den Koch mit zu einem Fotostudio erster Güte, gab ihm seine beste Kleidung und ließ eine Aufnahme machen.

Dr. Kuppuswamy zieht sich zurück

Die Tage vergingen. Er dachte immer mehr über das Leben nach und wollte sich von der Welt zurückziehen. Sein Herz war durch das liebevolle Dienen gereinigt. Letztendlich entsagte Dr. Kuppuswamy 1923 der Welt, obwohl er eine lukrative Praxis hatte. Er verließ Malaysia und ging zurück nach Indien. In Madras (Chennai) angekommen, ging er zum Haus eines Freundes und ließ dort sein Gepäck zurück. Er ging auf Pilgerreise. In Benares hatte er eine Darshan-Vision von Lord Visvanath. Er besuchte große Heilige und viele Tempel. In Dhalaj, einem Dorf am Ufer des Chandrabaga-Flusses, traf er einen Postbeamten und blieb für einige Zeit bei ihm. Er arbeitete als Koch für den Postbeamten. Wenn dieser abends später nach Hause kam, wusch er ihm ohne jeden Protest die Beine. Als der Doktor ihn nach einem einsamen Ort zur Meditation fragte, schlug der Postbeamte ihm schließlich vor, nach Rishikesh zu gehen.
Dr. Kuppuswamy erreichte Rishikesh schließlich am 8. Mai 1924. Am 1. Juni 1924 trat sein Guru Sri Swami Visvananda Saraswati in sein Leben. Der Doktor sah seinen Guru in dem Mönch und der Mönch sah in dem Doktor seinen Schüler. Nach einem kurzen Wortwechsel wurde Dr. Kuppuswamy von Swami Visvananda in den Sannyasa-Orden eingeführt. Swami Vishnudevanandaji Maharaj, der Leiter des Kailas Ashram hielt die Initiierung ab. Dr. Kuppuswamy wurde fortan Swami Sivananda Saraswati genannt. Swami Visvananda schrieb für ihn die notwendigen Sannyasaregeln von Benares auf. Swami Sivanandaji blieb für das Sadhana im Swagashram.

Sadhana (Übungen)

Swami Sivananda aß um zu leben und lebte für den Dienst am Menschen. Eine kleine verfallene Hütte, die von anderen gemieden wurde, weil sie von Skorpionen bevölkert war, schütze ihn vor Regen und Sonne. Häufig fastete er tagelang. Er verfügte immer über einen kleinen Brotvorrat, der für eine Woche reichte, und den er, im Wasser des Ganges eingeweicht, verzehrte. Im Winter stand er morgens bis zu den Hüften im Wasser, um sein Japa zu zelebrieren. Er kam erst aus dem Wasser, wenn die Sonne aufgegangen war. An manchen Tagen meditierte er zwölf Stunden. Doch trotz all seines intensiven Tapas vernachlässigte er nicht den Dienst an den Kranken. Er suchte die Hütten der Sadhus auf, gab ihnen Medizin, bediente sie und wusch ihnen die Beine. Er bettelte für sie um Nahrung und fütterte sie, wenn sie krank waren. Er holte Wasser vom Ganges und reinigte ihre Unterkünfte. Er half auch den Cholera-, Pest- und Pockenkranken. Falls notwendig, wachte er die ganze Nacht an der Seite hilfsbedürftiger Sadhus. Er trug Kranke auf seinem Rücken in Hospitäler. Mit dem Geld, das er aus einer Versicherungspolice erhielt, startete er 1927 in Laskshmanjula zu wohltätigen Zwecken eine Hilfestation. Er diente Pilgern und sah in ihnen Narayana. Swamiji hat die verschiedensten Yogaformen praktiziert und studierte die Schriften. Nach Jahren intensivem und unermüdlichem Sadhana erreichte er die Glückseligkeit von Nirvikalpa Samadhi. Er war an das Ende seiner spirituellen Reise angekommen.
Er sammelte Papierschnitzel und bereits benutze Umschläge, die er zu Notizbüchern zusammenknüpfte. Diese Notizbüchern nutzte er für seine Selbst-Instruktionen. Einige dieser Instruktionen lauteten wie folgt: “Gib Salz, Zucker, Gewürze, Gemüse, Nüsse und Tamarinde auf.” Bei einer anderen Anweisung hieß es: “Diene den Armen, Minderwertigen und Bedürftigen, reinige deren Umfeld von Fäkalien, wasche die Kleider der Sadhus, – freue dich darüber, – hole frisches Wasser.” Auf der nächsten Seite war zu lesen: “Denke nicht an Rache, halte dem Übel stand, verwandle Übles in Gutes, ertrage Beleidigungen und Verletzungen.” Auf einigen sauber geschriebenen Seiten war zu lesen: “Vergiss, wie ein Kind, jede Art von Verletzung sofort nach der Tat. Bewege die Verletzungen nicht in deinem Herzen, denn dieses ist eine Quelle für das Hassen. Kultiviere Freundschaft, Mitleid, Dankbarkeit, Liebe, Vergebung.” An einer anderen Stelle war zu lesen: “Entwickle gute Eigenschaften, außerordentliche Höflichkeit, gutes Benehmen, Sanftmütigkeit, Großzügigkeit, Mildtätigkeit. Sei niemals unhöflich, hart oder grausam. Es gibt nichts, was man in der Welt hassen könnte. Hass ist Dummheit. Jegliche Verachtung muss durch Liebe und Hinterfragen ersetzt werden.”

Swami Sivananda strahlte seine göttliche und erhebende Botschaft durch seine Schriften, seinen Dienst an die Menschheit und Gottverwirklichung in die ganze Welt aus. Es entstanden mehr als dreihundert Bücher, Magazinreihen und Briefe. Seine Anhänger kommen aus allen Religionen, Kulturen und den unterschiedlichsten Glaubenbekenntnissen der Welt. Der Yoga Swami Sivanandas wird als Yoga der Synthese bezeichnet und hat eine harmonische Entwicklung von ‘Hand, Herz und Geist’ zur Folge, d.h. Karma Yoga, Bhakti Yoga und Jnana Yoga.

Am 14. Juli 1963 verstarb die große Seele H.H. Swami Sivananda Maharaj in seinem Kutir am Ufer des Ganges im Sivananda Ashram.